Weniger Verluste und mehr abgesetzte Ferkel durch konsequente Selektion auf Wurfqualität

01. Mär. 2022
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PIG Austria GmbH
Ferkelwiegen

Das Ziel der Ferkelerzeugung ist und bleibt es, möglichst viele abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr zu verkaufen bzw. bei kombinierten Betrieben in die Mast umzustallen. Um dieses Ziel zu erreichen bedarf es guten Managements, aber auch der Auswahl der richtigen Genetik. Durch ein optimales Zusammenwirken von Management und Zuchtfortschritt könnten in den letzten Jahrzehnten die Wurfgrößen gesteigert werden. Zeitgleich konnte aber auch beobachtet werden, dass mit zunehmender Wurfgröße der Anteil an untergewichtigen und lebensschwachen Ferkeln zunimmt. Dies führt unweigerlich zu einer Erhöhung der Saugferkelverluste. Neben der wirtschaftlichen Komponente haben diese Entwicklungen auch Relevanz hinsichtlich Tierwohl.

Daten von über 15.000 Würfen und 200.000 Ferkeln

Um die Zusammenhänge zwischen Wurfgröße, Geburtsgewicht, Vitalität und Verlusten in der Praxis erheben zu können, werden seit 2017 auf den Reinzuchtbetrieben der Rassen Landrasse und Edelschwein alle Würfe mit großem Aufwand ferkelweise gewogen und detailliert dokumentiert. Dabei werden alle Ferkel nach der Geburt einzeln gewogen, sowie die Vitalität des gesamten Wurfes auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 4 (sehr gut) bewertet. Im Rahmen des Projektes OptiZucht (2017-2019) begonnen, wurden mittlerweile 12770 Edelschwein- und 2479 Landrasse-Würfe im Zeitraum 2017 – 2021 ausgewertet. In diesem Sinne gilt ein großer Dank allen Züchter:innen, die – neben ihrer täglichen Arbeit - insgesamt 204.347 Ferkel einzeln gewogen haben, täglich mehr werdend. Stellvertretend für die Mutterrassen präsentieren wir die Ergebnisse der Rasse Edelschwein. Die Ergebnisse in der Landrasse sind sehr ähnlich.

Große Würfe bringen Herausforderungen

Leichte Ferkel unter einem Kilogramm Geburtsgewicht haben eine Überlebenschance von unter 50 %. Daher ist das Geburtsgewicht eine zentrale Größe. Dass mehr gesamt geborene Ferkel zu geringeren Geburtsgewichten führen, ist schon lange bekannt. Abbildung 1 zeigt, dass das mittlere Geburtsgewicht der Ferkel (hier beim Edelschwein, erster Wurf) fast linear mit der Wurfgröße sinkt.

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Abb. 1: Zusammenhang zwischen Anzahl lebend geborener Ferkel und mittlerem Geburtsgewicht

Angesichts eines durchschnittlichen Geburtsgewichts von deutlich über einem Kilogramm selbst bei 20 Ferkeln scheint auf den ersten Blick kein großes Problem vorhanden zu sein. Was allerdings auch mit der Wurfgröße steigt, ist die Streuung der Geburtsgewichte. Nicht nur werden die Ferkel im Schnitt kleiner, sie werden auch immer uneinheitlicher. Das führt dazu, dass der Anteil untergewichtiger, lebensschwacher Problemferkel < 1 kg stark steigt, was z.B. in Abbildung 2 dargestellt ist (Edelschwein, erster Wurf).

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Abb. 2: Zusammenhang zwischen Anzahl lebend geborener Ferkel und dem Anteil (%) an Ferkeln < 1 kg; erster Wurf

Klar ist, dass der Effekt bei Erstlingssauen stärker ist als bei Sauen ab dem zweiten Wurf. Während z.B. bei einer Erstlingssau mit 19 Ferkeln etwa 36 % untergewichtig sind, sind es bei älteren Sauen mit 19 Ferkeln etwa 19 %. Die geringere Milchleistung, Nervosität und hohe Stoffwechselbelastung einer Erstlingssau verschlechtern die Überlebenschance zusätzlich. Dass erste Würfe in der Regel kleiner sind, wirkt dem natürlich entgegen.

Als Faustregel kann man sich weiters merken: Bis 13-14 Ferkel ist rund ein Ferkel untergewichtig, danach steigt die Anzahl der untergewichtigen Problemferkel um eines pro drei Ferkel mehr, bei Erstlingssauen um zwei pro drei Ferkel mehr. Diese Zusammenhänge können aber auf jedem Betrieb sehr unterschiedlich ausfallen. Welche Wurfgröße für meinen Betrieb optimal ist, kann nicht pauschal gesagt werden. Wer viel Aufwand in Geburtsbetreuung, Wurfausgleich, Ferkelversorgung, Beifütterung, Hygiene u.a. stecken kann/will, der kann sich auch größere Würfe „leisten“. Die Arbeitswirtschaft sollte man dabei nicht aus dem Auge verlieren. Wer mit wenig Aufwand viele Sauen versorgen muss, sollte nicht versuchen, die Ferkelzahl über ein gewisses Niveau hinaus zu erhöhen.

Zucht auf Leistung und Vitalität

In der täglichen Arbeit stellt man immer wieder fest, dass es auch große und sehr vitale Würfe gibt – genauso wie manch kleine Würfe lebensschwach sein können. Es ist also Potential da, die Wurfvitalität gleichzeitig mit der Leistung züchterisch zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde 2019 bei den Mutterrassen der Gesamtzuchtwert Wurfvitalität (GZW-VI) eingeführt, der 20 % des Zuchtziels bei Landrasse und Edelschwein ausmacht. Der GZW-VI besteht aus folgenden Merkmalen und prozentuellen Gewichtungen:

- 50 %: Streuung (Standardabweichung) des Geburtsgewichts [kg]

- 30 %: Mittleres Geburtsgewicht [kg]

- 20 %: Vitalität [1 – schlecht bis 4 – gut]

Auf der Streuung des Geburtsgewichts liegt eine größere Gewichtung (50 %) als auf dem Geburtsgewicht selbst (30 %), da eine starke Steigerung des Geburtsgewichts nicht wirklich möglich ist, ohne die Ferkelzahl zu stark zu verringern. Und wegen der Gefahr von Schwergeburten ist diese langfristig züchterisch auch nicht wirklich erwünscht.

Das Merkmal Vitalität versucht, das Ziel (vitale, selbstständige Ferkel) direkt zu erfassen. Dass dies auch erfolgreich ist, sieht man z.B. in Abbildung 3, wo der Zusammenhang zwischen Vitalität und Saugferkelverlusten (bei Edelschwein-Sauen ab dem zweiten Wurf) dargestellt ist:

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Abb. 3: Vitale Würfe haben deutlich weniger Verluste

Die geringeren Verluste bei vitalen Würfen finden sich schlussendlich beim Absetzen und damit am Konto wieder. Abbildung 4 zeigt, dass Würfe mit guter Vitalität im Durchschnitt klar mehr Ferkel zum Absetzen bringen – etwa + 2,0 Ferkel je Wurf zwischen Vitalität 1 (schlecht) und Vitalität 4 (gut) bei Edelsauen ab dem zweiten Wurf. Dieser Effekt ist bei Erstlingssauen noch stärker ausgeprägt. Daher ist die direkte Erhebung der Vitalität ein wichtiger Teil des GZW-VI.

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Abb. 4: Vitale Würfe bringen mehr Ferkel zum Absetzen

Messbarer Zuchterfolg nach einer Generation

Über die Leistungen von tausenden Töchtern ist eine gute Absicherung des Zuchterfolgs im Bereich Wurfvitalität möglich geworden. In Abbildung 5 ist ersichtlich, wie die Auswahl des Vaters die Wurfqualität der Töchter beeinflusst. Da es sich um die Durchschnitte echter Daten handelt, schwanken die Werte natürlich, die Richtung ist aber klar erkennbar.

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Abb. 5: Töchterleistungen in Wurfqualitätsmerkmalen nach Zuchtwert des Ebers

Zum Beispiel haben die Töchter eines Ebers mit Zuchtwert 120 eine Streuung des Geburtsgewichtes von 0,22 kg (niedrige Streuungen sind erwünscht), während die Nachkommen eines Ebers mit Zuchtwert 80 eine Streuung der Geburtsgewichte von 0,31 kg aufweisen. Die Auswahl der jeweiligen Väter beeinflusst also schon in einer Generation entscheidend, wohin sich die Wurfqualität unserer Sauen entwickelt. Es ist also Potential da, um nachhaltig Leistung und Ferkelvitalität gleichzeitig zu steigern.